6 Gründe, die gegen ein Veto sprechen

Unsere Teilnehmer fragen häufig, warum es bei dem Werkzeug systemisch Konsensieren, also Eintscheidungen im Team zu treffen, kein Veto gibt.
Landläufig kann man formale Entscheidungsprozesse grob in zwei Richtungen einteilen:

  • mehrheitsorientiert und
  • konsensorientiert.

Das Besondere am Konsensprinzip, das viele schätzen, ist der Minderheitenschutz durch das Veto: Sobald eine Person gravierende Bedenken in Form eines Vetos hat, kann ein Vorschlag nicht umgesetzt werden. Theoretisch wird dadurch jeder mitgenommen, Einwände werden eingearbeitet und es wird solange optimiert, bis sich alle einig sind.

 

Aber wie sieht das in der Praxis aus?

 

Wir haben hier ein paar exemplarische Sachverhalte aus der Praxis gesammelt, die für uns den Sinn des Vetos, wie man es bisher kennt, zumindest in Frage stellen:

  • Vetos erhalten zu viel Macht, plötzlich dominiert eine kleine Fraktion die Mehrheit. Wer zuletzt zustimmt hat die Möglichkeit, die anderen unter Druck zu setzen. Das kann man zum Beispiel in der EU beobachten, wo regelmäßig einzelne Länder ihre Vetomacht nutzen, um Forderungen durchzudrücken.
  • Der Status Quo und die genannten Vorschläge sind für jemanden inakzeptabel, aber durch seinen Wiederstand blockiert er jegliche Form der Veränderung.
  • Wenn sich ein Team nicht einig werden kann, machen Gruppen Abstriche, zum Beispiel in Form von „Konsens minus eins“ (Ein Veto reicht nicht zum blockieren) oder indem nur „schwerwiegende Einwände“ überhaupt zugelassen werden. Faktische Unzufriedenheit mit der Entscheidung wird so per Definition ausgeblendet.
  • In informelleren Gruppen wird so lange diskutiert, bis denjenigen, die mit der Entscheidung ein Probleme haben, die Puste ausgeht. Um wichtige Themen durchzusetzen, werden sie deswegen ans Ende einer längeren Besprechung gesetzt, denn dann hat niemand mehr Lust, lange zu konsensieren.
  • Manchmal entsteht ein Pseudo-Konsens, weil niemand als Blockierer gelten möchte. Menschen mit Einwänden werden damit weder gehört, noch geschützt.

Und dann ist da noch die Sache mit der Vorschlagsformulierung. Da gab es  zum Beispiel eine kleine Gemeinschaft, die aus einem Sommerfest noch Geld übrig hatte und überlegte, was sie damit machen. Einige wollten gerne ein Sonnensegel kaufen, aber eine Person hatte etwas dagegen und nutzte ihr Veto. Als wir vorschlugen, den Vorschlag mal andersrum zu formulieren („Wir lassen das Geld auf der Bank“), hatten plötzlich drei Leute ein Veto.
Je nachdem, wie ein Vorschlag formuliert ist und wie dadurch die Passivlösung aussieht, bewirkt ein Veto ganz unterschiedliches.

 

 Welches Vorgehen wäre also sinnvoll?

Viel sinnvoller als ein Veto erscheinen uns deswegen, grade bei konfliktträchtigen Entscheidungen, folgende Vorgehensweisen:

1.) Unter allen möglichen Lösungen wird die gewählt, welche dem Konsens am nächsten kommt. Und wenn die Gruppe sich vor Augen führt, welches momentan die tragfähigste Lösung ist, wird diese nicht selten per Schnellverfahren im Konsens angenommen.

2.) Wer ein Veto setzt, muss klaren Regeln folgen. Er kann zwar die momentane Abstimmung einfrieren (freeze) bzw. vertagen aber für diese Möglichkeit muss er auch etwas geben. Er muss innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, den das Team festlegt, einen neuen Vorschlag einbringen der sich von den bestehenden signifikant unterscheided. So kommt man nicht umhin, sich mit seinen Bedenken und Ängsten konstruktiv auseinander zu setzen anstatt einfach nur dagegen zu sein.

3.) Alle Teilnehmer geben ihre Stimmen und/oder ein Veto gleichzeitig, schriftlich und im geheimen ab. Erst das Erbegniss wird der Gruppe gezeigt. So wird verhindert, dass politisch oder strategisch gestimmt wird anstatt dem wirklichen inneren Wiederstand zu folgen.