Schaut man sich die Forschungslandschaft über Führungsstile genauer an, so gibt es unzählige Tipps und Empfehlungen, was Führungskräfte tun sollen, um erfolgreich zu sein. Aber die Forschung hat auch gezeigt, dass alle Führungskompetenzen einen gemeinsamen Nenner haben und das ist Empathie

Aber was ist Empathie?

Klären wir zunächst die neurologische Basis.

Die Spiegelneuronen

  • Zuerst wurden diese von G. Rizzolloti 1992 erwähnt in Bezug auf die Forschung mit Makaken Affen.
  • 2010 gab es den ersten direkten Nachweis von Spiegelneuronen beim Menschen. (Current biology : CB. Band 20, Nummer 8, April 2010, ISSN 1879-0445)
  • Spiegelneuronen sind Nervenzellen im Gehirn, welche beim beobachten einer Handlung oder einer Reaktion einer anderen Person das gleiche Aktivitätsmuster zeigen wie bei der „eigenen“ Handlung/Reaktion.
  • Jedes menschliche Gehirn hat von Geburt an Spiegelneuronen.
  • Aber die Ausprägung und Leistungsfähigkeit wird durch Sozialisation geprägt und muss trainiert werden. „Use it or lose it.“

Das bedeutet also:

Empathie ist also die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. Somit ist Empathie die Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen. Empathie ist Einfühlen statt Mitfühlen. Empathie bedeutet auch aktives Zuhören. Empathie kann sogar Stress senken, da Menschen mit hoher Empathie wesentlich besser mit Stress umgehen können.

 

Doch wieviel Empathie steckt in Ihnen?

Wieviel Unvoreingenommenheit, Zeit, Interesse und Verständnis können Sie in Ihrem daily business als Führungskraft für andere aufbringen?

Die gute Nachricht ist: Empathie kann jeder lernen!

Denn das Empathie-Training ist wie ein Muskeltraining. Lesen Sie sich die folgenden Tipps zu Ihrem Empathie-Muskelaufbau und probieren Sie diese im Alltag aus:

1. Richte deine Aufmerksamkeit auf das Wohlergehen, die Interessen und Bedürfnisse anderer

Das ist die kognitive Komponente der Empathie. Man fühlt sich genau gesagt nicht in eine Person ein, sondern fühlt mit dieser Person ein bestimmtes Thema. Dieses Thema steht meist konträr zum Wohlergehen, den Interessen oder den Bedürfnissen der Person. Mit Wohlergehen ist ganz simpel glücklich sein gemeint, oder die Abwesenheit von Schmerzen und Leid. Interessen sind wichtige Lebensziele, Wünsche, Pläne und Rechte, Liebe, Freiheit, Intimität. Bedürfnisse sind physische Dinge wie etwa Essen, Kleidung, die Möglichkeit zu schlafen und sich zu waschen.
Fehlt einem Menschen etwas von den oben aufgezählten Dingen, fällt es uns leicht, uns einzufühlen. Weil wir nachvollziehen können, wie es sein muss, wenn wir eine schwere Krankheit hätten, unsere Wünsche nicht erfüllen können oder nur unzureichend Essen zur Verfügung hätten.

 

2. Fokussiere dich auf menschliche Schlüsselwerte und Gemeinsamkeiten

Um empathisch sein zu können, müssen wir die Wertebasis und Perspektive anderer einnehmen. Wenn jemand einen Menschen aufgrund eines Todesfalls verliert, können wir den Verlust nachvollziehen. Wenn jemand seinen Goldfisch verliert, fällt es uns schwerer, einfühlsam zu sein, weil wir das womöglich nicht so hoch gewichten.

Doch für den anderen Menschen kann dieser Goldfisch die Welt bedeutet haben. Für uns Menschen ist es immer, ausnahmslos, schlimm, etwas Geliebtes und Vertrautes zu verlieren. Wir alle fühlen uns schlecht dabei. Und wir alle erleiden Verluste in der ein oder anderen Weise.
Ein Beispiel: Man muss nicht homosexuell sein, um das Leid einer homosexuellen Person zu verstehen, die betrogen wurde. Cohen schreibt dazu: „Empathie beinhaltet die Fähigkeit, in verschiedenen zwischenmenschlichen Kontexten und trotz unterschiedlicher Kulturen auf gemeinsame menschliche Werte einzugehen.“ Zudem müssen wir die ganze Grausamkeit der Verluste verstehen können, uns wirklich in die Lage derer versetzen, die etwa durch Schicksalschläge ihr Heim verloren haben. Um empathisch zu sein, müssen wir uns, zumindest für den Moment, schlecht fühlen – erst dann können wir begreifen, was die Person gerade durchmacht.

3. Halte deine eigene Meinung oder Lösungsvorschläge zunächst zurück
„Naja, ich sehe das anders“, „Ich kenne das auch, hatte das letztens“, „Ach, das wird schon“, „Aber versuchst du es damit?“, „Mach es doch anders“: All diese Sätze sind nicht empathisch. Die eigene Meinung, Vorurteile oder Gedanken zum Thema sind bei Empathie nicht gefragt. Zumindest nicht anfänglich. Es geht nicht darum, eine Situation zu analysieren oder sie lösen zu wollen.

Es geht erst mal nur um eines: zu fühlen. Cohen schreibt, empathisch zu sein, sei in dieser Hinsicht anti-pragmatisch. Menschen, die gerade leiden, möchten vielleicht keine vorschnellen Hilfsangebote. Sie wollen sich verstanden fühlen. Zudem müssen wir nicht mit der Weltanschauung oder der Einstellung des Menschen, mit dem wir empathisch sind, konform gehen. Tatsächlich kann sie völlig unterschiedlich zu unserer eigenen sein – ein empathischer Mensch kann sich trotzdem einfühlen. Wir müssen unser Missvertrauen beiseitelegen, die Idee und die Gedankenlogik des anderen Menschen verstehen lernen. Jemand ist sehr eifersüchtig? Statt dagegen anzureden, könnten wir versuchen zu verstehen, warum das so ist. Perfekt dafür ist das aktive Zuhören: Das bedeutet, sich in einem Gespräch von eigenen Emotionen freizumachen und sich voll in das Gegenüber hineinzuversetzen und einfach nur zuzuhören. So beginnen wir, wirklich zu verstehen, was die Botschaft hinter der Botschaft ist.
Die gemeinsame Lösung eines Problems oder einer Situation kann später folgen.

4. Nutze offene Fragen und Reflexion
Wer verstehen möchte, kann offene Fragen stellen, oder einfach während eines Gesprächs oder einer Erzählung reflektieren: „Du bist sehr enttäuscht darüber, dass er dich so angelogen hat“, „Du fühlst dich heute nicht wohl in deiner Haut, weil du denkst, du bist nicht schön“, „Es ist sicher schwer, dass sie nun für sechs Monate weg ist“. Das sind banale Beispiele, vernünftige Ansätze bieten sich aber in jedem Gespräch an – wenn man offen dafür ist.
Auch wenn man damit nicht immer richtigliegen kann, gibt es der anderen Person einen Anreiz, ihre eigene Emotionswelt weiter zu erforschen. Zudem fühlt sie sich beachtet und ernst genommen. Nur den Bogen überspannen sollten wir dabei nicht: Solche Einwürfe können auch nach hinten losgehen, wenn wir nicht darauf achten, unsere Worte rücksichtsvoll zu wählen oder sie im falschen Moment aussprechen.

5. Halte eine gesunde Distanz zwischen dir und der subjektiven Welt der Person
Wirklich empathisch kann nur sein, wer sich selbst zurücknimmt und sich – trotz allen Einfühlens – von der subjektiven Wahrnehmungswelt des Gegenübers distanziert. Am Ende bleibt sie das: Die Gedankenwelt einer anderen Person, bei der wir nur zu Gast sind, aber eben nicht an ihr teilhaben.
Ein Tipp des Philosophen: Das Thema so behandeln, als würden wir uns ein Gemälde ansehen. Wir müssen, um es erleben zu können, eine gewisse Perspektive einnehmen. Dafür sollten wir uns weder zu stark in die Gedankenwelt des*r Maler*in hineinversetzen noch diese persönliche Komponente außen vor lassen. Ein untergehendes Schiff beispielsweise ruft in uns, wenn wir uns hineinversetzen, erst Angst hervor, das Gefühl des Machtverlusts. Aber weil wir ja nicht in der Situation stecken, sehen wir in dem Gemälde viel eher eine gewisse Schönheit statt etwas, das uns vernichten würde. Auch wenn das nicht sonderlich liebevoll klingt: Diesen Kunstfilter können wir auch dann anwenden, wenn wir empathisch sein wollen. Er hilft uns, die Thematik zu durchdringen, ohne uns darin zu verlieren.

6. Üben!
Um einfühlsamer zu werden, hilft es nicht nur, Artikel wie diesen zu lesen. Die Methoden müssen dafür geübt werden, wann immer es geht. Das geht in der Partnerschaft, in Freundschaften, mit Kolleg*innen, eigentlich in jeder Lebenslage.

Das ist laut Elliot Cohen ein Grundpfeiler der Empathie: Die Fähigkeit, seine eigene Realität in einen Gesamtkontext setzen zu können. Erst dann können wir uns voll und ganz in die anderen Menschen hineinversetzen. Und dort für eine Weile bleiben. Bis wir unser eigenes Leben wiederaufnehmen und weiterziehen.

 

Quellen:

Elliot Cohen, psychologytoday: blog/what-would-aristotle-do/201505/how-be-empathetic

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